Erste Living-History Veranstaltung
"Märkisches Leben zur Zeit der Askanier"
vom 15. - 17. Juli im Museumsdorf Düppel
"Im herkömmlichen Sinne gelehrt, ist Geschichte - und allem voran die Geschichte des so genannten ‚finsteren’ Mittelalters – für die meisten Schüler langweilig und uninteressant. Selbst als Erwachsener erinnert man sich nur unwillig an einige Jahreszahlen und Herrschernamen, die mit der eigenen Region oder unserer heutigen Kultur anscheinend wenig zu tun haben. Im Museumsdorf Düppel dagegen besteht die einmalige Gelegenheit, etwas über die hoch interessante und für die Region Berlin-Brandenburg sehr wichtige Epoche zu lernen, als unter der Herrschaft der askanischen Markgrafen ein Großteil der heutigen Dörfer und Städte – so auch Berlin - gegründet wurden.
Genau diese Epoche greift sich die Sonderveranstaltung ‚Märkisches Leben zur Zeit der Askanier‘ heraus, um sie ganz konkret am Beispiel eines rekonstruierten märkischen Dorfes mit ‚neuem‘ Leben zu erfüllen und anschaulich zu machen. Zusammen mit den Mitgliedern des Museumsvereins beleben
die Living-History-Gruppe Marca brandenburgensis AD 1260 und geladene Gruppen aus ganz Deutschland die Gebäude und Einrichtungen des Freilichtmuseums und ermöglichen so einen Einblick in Alltagsleben, Handwerk und Sachkultur der Region Berlin-Brandenburg im Hochmittelalter.Im Hochmittelalter wurde die Mark Brandenburg durch die askanischen Markgrafen regiert. Als ihre Stellvertreter in Burgen, Städten und Dörfern fungierten sogenannte Ministeriale, etwa entsprechend den heutigen Staatsbeamten. Der markgräfliche Hofstaat und die aufstrebenden Städte wurden durch Kaufleute aus ganz Europa, vor allem auch aus dem Rheinland, beliefert. Neue Klöster, Städte und Dörfer wurden gegründet.
All diesen verschiedenen Aspekten unserer Regionalgeschichte soll die neue Sonderveranstaltung Rechnung tragen.
Während die Mitglieder des Museumsvereins das einfache bäuerliche Leben demonstrieren, zeigen die geladenen Gruppen im Rahmen eines Zeltlagers weitere Facetten des hochmittelalterlichen Alltaglebens zwischen 1250 und 1320: verschiedene Handwerke (z. B. Holzhandwerk, Textilhandwerk, Pergamentherstellung) werden anschaulich demonstriert und laden zum Mitmachen ein. Außerdem werden Kleidung und Sachkultur der unterschiedlichen Stände (vom einfachen Handwerker über den reichen Kaufmann bis hin zum Adel) sowie Waffen- und Rüsttechnik innerhalb der Lager und in besonderen Vorführungen für das Publikum vorgestellt. Ein rheinischer Kaufmann stellt seine Waren vor, und erläutert das hochmittelalterliche Handelswesen. Am Beispiel einer Kanonisse wird Einblick in klösterliches Leben und mittelalterliche Musik gewährt."
Diesen in der Pressemitteilung vollmundig formulierten Anspruch galt es also nun in die Tat umzusetzen. Und zu unserem Glück hatten wir viel fröhliche und sachkundige Unterstützung bei dieser Sonderveranstaltung – folgende Gruppen bzw. Einzeldarsteller folgten unserer Einladung und brachten interessante Exponate und Material für spannende Vorführungen mit:
Die Teilnehmer unserer ersten Living-History-Veranstaltung im Museumsdorf Düppel vor einem rekonstruierten Bauernhaus, unterstützt von einigen Bauerndarstellern des Museumsvereins.
Am Freitagabend trudelten so langsam alle Teilnehmer ein – Tom und Nicole aus dem Saarland hatten wohl die weiteste Anfahrt. Obwohl uns das Wetter einen kleinen Streich spielte – mußte es denn unbedingt während des Aufbaus regnen und gewittern? – hatten wir einen gemütlichen Abend in froher Runde. Besonders idyllisch war wohl der Anblick der Düppeler Skuddenherde, die abends auf die Dorfweide getrieben wurde. Während die Schafe sich gierig über den Klee und junge Triebe hermachten, genossen wir diese wunderbare ländliche Stimmung am Rande der Millionenstadt.
Nach einer für die Jahreszeit erstaunlich kühlen Nacht starteten wir begleitet von Karens Stundengebeten in den ersten Tag der Veranstaltung, der ohne Publikumsverkehr ganz dem Austausch untereinander gewidmet war. Auch die jüngste Düppel Arbeitsgruppe zur Alltagsdarstellung, ergänzt um die französische Praktikantin Mathilde, fand sich nun ein und pendelte immer wieder zwischen ihrem Bauernhaus und unserem Zeltlager hin und her.
Nach inzwischen alter Tradition trafen wir uns abends alle zu einer gemeinsamen Festtafel um die verschiedenen Gerichte zu probieren, die jede Gruppe gekocht hatte (besonderer Dank an Lisa und Manfred für den leckeren Hypokras und die Gewürzprinten), und in aller Ruhe zu quatschen und zu klönen. Selbst die armen Bauern aus Düppel wurden nicht vergessen – bettelnde Landsassen an der reichhaltigen Tafel sind schon ein Erlebnis... J !
Nicht zu vergessen die Höhepunkte des Abends: der alljährliche Honigtribut der Slawen an den Markgrafen sowie die in Torgelow kreierten Superhelden Froschkönig und Rattenkönigin, die allerdings zur Enttäuschung ihre Fans leider dieses Jahr ein kleines Formtief aufwiesen...J
Im Folgenden einige Impressionen dieses wunderbar entspannten und fröhlichen Tages:
Karen begleitet uns beim Essen und Werkeln mit Gesang und Harfenspiel.
Olaf als Hahnrei... oder wie man eine gefütterte Haube an den wohlgeformten Hinterkopf anpaßt...
Heinz-Peter – ungewohnt in hochmittelalterlicher Tracht - werkelt an Toms Steckwerkbank.
Olaf und Katrin einträchtig bei der Arbeit.
David macht blau, oder besser: braun: eine Walnussfärbung im vollen Gang, die Wollspender laufen derweil im Hintergrund durchs Bild.
Vorbereitungen für das abendliche Festmahl: Gabi macht aus dem Abwaschen der Pfifferlinge eine Wissenschaft... J
Die abendliche Festtafel im vollen Gang – man beachte, daß die Düppeler Landsassen großzügig am Ende der Tafel Platz nehmen dürfen... J
Am Sonntag waren dann ab 10 Uhr die Pforten für das Publikum geöffnet. Jeweils zur vollen Stunden hatten wir besondere Vorführungen für die Besucher angesetzt, während verschiedenste Handwerksdemonstrationen parallel dazu in den einzelnen Lagern für kleinere Zuschauergruppen abliefen. Wie immer in Düppel erfreuten sich die Vorführungen großer Beliebtheit beim reichlich hereinströmenden Publikum (immerhin fast Tausend Besucher, und das in der sogenannten ‘Saure-Gurken-Zeit‘ der Sommerferien), und die Fachkompetenz und Geduld der Vorführenden begeisterte sowohl kleine als auch große Fragesteller.
Im Folgenden wiederum ein paar Einblicke in den Publikumstag:
Die ersten morgendlichen Besucher strömen in das Lager; im Vordergrund Toms Holzhandwerkervorführung, hinten rechts die Küche und das Kaufmannskontor von Lisa und Manfred.
Dieter Todtenhaupt vom Museumsverein läßt sich von Tom die Steckwerkbank erklären.
Karin (hinten rechts) und Chris (vorne) vom Projekt Folgari demonstrieren Buchbinderei und Buchillustration.
Ein Blick über die Schulter der Buchillustratorin Karin.
Heinz-Peter erläutert die Pergamentherstellung.
Lisa begeistert ihre Besucherinnen für die gut ausgestattete Küche des rheinischen Kaufmannpaares.
Die von David moderierte große Modenschau auf dem Dorfplatz – ein Einblick in die Tracht des Hochmittelalters angefangen von der einfachen Landsassin (Christiane, hinten links) über den Handwerker bis hin zum niederadeligen Ministerialenpärchen.
Karin bezaubert mit Harfenspiel, Gesang und Erläuterungen zur mittelalterlichen Musik einen großem Publikumskreis.
Unter der großen Eiche des Dorfplatzes erläutert Manfred – unser ‘Pfeffersack‘ – mit Hingabe das kaufmännische Kontor.
Marca brandenburgensis gibt einen Einblick in hochmittelalterliche Rüstung und Waffen – der Kriegsknecht Olaf hilft Ritter Joachim in den Gambeson, während das Publikum den Einblick in die strapsartigen ‘Dessous‘ genießt...
Familia ministerialis erläutert die Färberei mit Naturfarbstoffen; hier holt David gerade das Ergebnis der Krappfärbung aus dem Kessel.
Karen im Kreise ihrer ‘Fans‘ – auch oder gerade die Allerkleinsten sind für das Mittelalter zu begeistern.
Mit einer begeisterten Besucherresonanz und sehr erfreulichen Besucherzahlen blicken wir nun auf eine informative und entspannte Veranstaltung zurück. An dieser Stelle möchten wir besonders allen Teilnehmern danken, die unserer Einladung in das Museumsdorf Düppel gefolgt sind. Mit Euren tollen Vorführungen habt Ihr sowohl den Museumsverein als auch das Berlin-Brandenburger Publikum sehr beeindruckt! Ganz abgesehen davon, daß es auch auf menschlicher Ebene eine höchst gelungene Veranstaltung war... J
Außerdem bedanken wir uns natürlich beim Vorstand des Museumsvereins, insbesondere bei Dieter Todtenhaupt, für die Möglichkeit, das Geländes des Museumsdorfes für unsere Veranstaltung zu nutzen und hoffen, daß wir nächstes Jahr wieder etwas Ähnliches auf die Beine stellen können. Vielleicht kann daraus ja eine schöne Tradition werden!
Berlin, Juli 2005
Bilder: Joachim Meinicke u. Ulrich Busse; Text: Ruth Hirschberg
Marca brandenburgensis AD 1260