Rekonstruktionsversuch

der Kleidung eines märkischen Landsassen

im 13. Jahrhundert

 

Stand: März 2006

 

Der einfache Landsasse (= Landarbeiter) trägt Unterwäsche aus relativ grobem, hier leicht gebleichtem Flachsgewebe in Leinwandbindung (alternativ auch aus Hanfgewebe; Hanfanbau ist für das Hochmittelalter in der Mark Brandenburg belegbar).

Die Unterwäsche besteht aus einem bis über die Hüfte reichenden Leibhemd und der für das 13. Jahrhundert typischen Unterhosenform, der sogenannten Bruche, sowie der Bundhaube als einfachster Kopfbedeckung.

Das Leibhemd ist in "T"-Form aus reckteckigen Stoffstücken für Oberkörper und Arme konstruiert und weist einen einfachen "Schlüsselloch"-Ausschnitt auf, der mit Bändern verschlossen werden kann. Die Breite des Rumpfteils des Hemdes entspricht der Webstuhlbreite, so kann der Stoff direkt ohne Verschnitt genutzt werden. Die erforderliche Bewegungsfreiheit im unteren Drittel des Rumpfteils des Hemdes kann entweder durch Schlitze (die Stoffstücke bleiben hier also seitlich unvernäht) oder durch Einsatz schmaler Stoffdreiecke (sogenannte Geren, die zum Beispiel beim Zuschnitt der Ärmelteile übrig bleiben können) erreicht werden. Die Ärmel sind weit gearbeitet (entweder einfache Rechtecke oder leichte Trapezform, siehe oben) und ermöglichen so ebenfalls genügend Bewegungsfreiheit zum Arbeiten sowie das Aufkrempeln bei Verschmutzungsgefahr oder warmer Umgebungstemperatur. Zusätzliche Beweglichkeit in der Achselgegend kann durch offen gebliebene Nahtbereiche oder ebenfalls durch Einsatz kleiner Geren in diesem Bereich erreicht werden.

Die Bruche entspricht einer sehr weiten, Shorts-artigen Konstruktion, deren Beinröhren innen nicht komplett geschlossen sind und dadurch je nach Witterung entweder frei fallend oder – wie hier gezeigt – eng um den Körper gewickelt getragen werden können. Die Bruche wird mittels eines einfachen Tunneldurchzuges mit einem flexiblem Gürtel (Strick oder einfaches Band) in der Taille fixiert.

Den Kopf bedeckt eine einfache Haube, ebenfalls aus Leinengewebe, die wiederum mit Bändern unter dem Kinn befestigt wird. Sie dient als Schutz vor Verschmutzung und Witterungseinflüssen. Diese sogenannte Bundhaube findet sich als typisches Bekleidungsstück in hochmittelalterlichen Bildquellen für alle Stände, vom Bettler bis zum König, insbesondere bei Darstellungen von Alltagstätigkeiten.

Derart gekleidet könnte der Landsasse bei warmer Witterung sein Tagwerk verrichten, entweder auf dem Feld oder beim dörflichen Handwerk.

Bei ungünstigeren Wetterverhältnissen wird über die Unterkleidung noch eine wollene Oberkleidung angelegt.

Die Beine werden durch die sogenannten Beinlinge – oder in ursprünglicher Bedeutung: "Hosen", im Sinne von Beinröhren – geschützt. Diese Beinröhren sind bei Landsassen vergleichsweise weit gearbeitet und werden über Bänder (Nesteln) wie hier gezeigt am Bruchenband befestigt. Die Beinlinge können mit oder ohne Fußteil, teilweise auch mit Fußsteg gefertigt sein, und entsprechend dann noch mit einfachen Fuß- bzw. Wadenwickeln komplettiert werden. Bei warmer Witterung oder anstrengender Tätigkeit wird die Beinröhre aus dem dann zu stark wärmenden Wollstoff einfach heruntergerollt, wie hier am rechten Bein demonstriert. Von der beschriebenen hochmittelalterlichen Beinbekleidung bestehend aus zwei Beinröhren leitet sich unsere heutige Bezeichnung eines ‘Paar Hosen‘ ab, obwohl die moderne Beinbekleidung nur noch aus einem - fusionierten - Stück besteht. Die hier gezeigten schlichten Beinlinge wurden aus dunkelbraunem einfachem Wollköper gefertigt – eine Farbe, wie sie direkt ungefärbt von Landschafrassen, die im Mittelalter gehalten wurden, gewonnen werden konnte (siehe unter Textilien und Färbungen).

Die Füße können durch einfache Lederschuhe – hier die auch in Abbildungen der Zeit typischerweise zu findenden halbhohen Schuhe mit mehrfacher Bindung im Knöchelbereich – oder andere Überschuhvarianten geschützt werden; oft wurden die täglichen Arbeiten wohl aber auch barfuß erledigt. Weitere Bilder siehe unter Fußbekleidung: Strümpfe, Schuhe, Trippen.

Bei kälterer oder nasse Witterung wird auch der Oberkörper durch ein wollenes Gewand geschützt – die typische mittelalterliche Oberbekleidung heißt "Cotte" (schon im Mittelalter gingen modische Neuerungen von Frankreich aus, entsprechend sind viele Namen für bestimmte Kleidungsstücke französischen Ursprungs) oder - im einfachen Fall wie hier für den Landsassen gezeigt - auch Kittel oder Rock.

Prinzipiell gleich konstruiert wie das Unterhemd zeigt auch der Kittel eine einfache, funktionelle Form: Die körperfern gearbeiteten Ärmel erlauben maximale Beweglichkeit und das Aufkrempeln; die Länge des Kittels für die tägliche Arbeit reicht bis etwas zum Knie, seitliche Beweglichkeit wird wiederum durch Schlitze oder Geren ermöglicht, die Gürtung mittels eines einfachen Gürtel rafft den Kittel zusammen und erlaubt auch falls nötig das Hochstecken des Rocksaumes sowie die Befestigung kleinerer Gegenstände des täglichen Gebrauchs (Messer, kleinere Werkzeuge etc.) am Gürtel, da die hochmittelalterliche Kleidung keine Taschen aufweist. Der hier gezeigte einfache Kittel wurde ebenfalls aus braunem Wollköper gefertigt.

Die einfachste Form des Gürtels stellt ein einfacher Strick dar, hier wird ein schmaler, kurzer Ledergürtel mit einfacher Schnalle ohne schmückende Beschlägteile als Beispiel für die einfache Tracht gezeigt.

Je nach Witterung kann noch weitere wollene Überbekleidung in Form von einfachen Mänteln, Überwürfen, Kapuzen sowie verschiedenen Hut- bzw. Mützenformen ergänzt werden (siehe dort).

 

Kleidungsrekonstruktion: Ilja Ausner

Text: Ruth Hirschberg

Fotos: Joachim Meinicke

 

 

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