Wollgewebe im Hochmittelalter

Ein Überblick

 

Johannes Kulick
Erste Fassung: Mai 2007


Für unsere Darstellung benötigen wir vor allem für die Kleidungsstücke Stoffe, die den mittelalterlichen Vorbildern möglichst nahe kommen. Wie mittelalterliche Wolle beschaffen war und dass es entsprechende Wollqualitäten auch heute gibt, wird bereits in dem Artikel „Schafrassen und Wollproduktion“ erläutert; es soll hier daher nicht um Faserqualitäten, sondern um Gewebearten und -qualitäten, wie sie im 13. Jhd. genutzt wurden, gehen.

Der regionale Bezug zur Mark Brandenburg ist leider durch die schlechte Fundlage hinsichtlich Textilien in der Region nicht wirklich gegeben. Betrachtet man aber das Fundgut in angrenzenden und auch weiter entfernten Gebieten (Norddeutschland, Skandinavien, Polen, Grönland, England), so stellt man eine erstaunliche Homogenität der gefundenen Stoffe, sowohl in Bindungsarten als auch in der Dichte der Gewebe fest. Man kann also davon ausgehen, dass Stoffe in der Region den dokumentierten weitestgehend glichen.

Abb. 1: Bindungsarten; v.l.n.r.: Tuchbindung, 2/1-Köper, 2/2-Köper

Es sind drei Bindungstypen, die das Fundgut deutlich dominieren: Tuchbindung (auch Leinwandbindung genannt), 2/1-Köper und 2/2-Köper (siehe Abb. 1). Diamant- und Fischgratköper, die im Frühmittelalter noch einen großen Teil der Textilien stellten, sind im Hochmittelalter nicht mehr zu finden.

Bei diesen drei Bindungen sind Tuchbindung und 2/1-Köper wiederum deutlich häufiger anzutreffen als der 2/2-Köper. Eine Ausnahme stellt hier Grönland dar, dort ist der 2/2-Köper die am häufigsten anzutreffende Bindung.

Eine Vorliebe für Tuch- oder 2/1-Köperbindung scheint regional unterschiedlich gewesen zu sein: Während in Schleswig zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert über 80% der gefundenen Stoffe 2/1-Köper waren, sind in Lübeck und Göttingen Tuchbindungen deutlich in der Überzahl.

Die Spinnrichtung ist an den meisten Fundorten vorwiegend Z/S, also ist die Kette im Uhrzeigersinn (Z) und der Schuss gegen den Uhrzeigersinn (S) gesponnen, andere Kombinationen (Z/Z, S/S) sind aber durchaus auch vertreten.

Der Großteil der Stoffe ist aus ungezwirntem Garn gewebt, es gibt aber doch einige wenige, vor allem gröbere Stoffe, die mit Zwirn gewebt wurden.

In der Gewebequalität im 13. Jhd. gibt es ein breites Spektrum. Von sehr feinen Stoffen (bis über 40 Fäden/cm) bis zu groben Geweben (ca. 2 Fäden/cm) ist alles enthalten. Diese Extreme sind aber zweifelsohne eher die Ausnahme. Den weitaus größten Teil im Fundgut nehmen mittelfeine (um 10 Fäden/cm) und feine (um 20 Fäden/cm) Stoffe ein.

Die Stoffbreite zu bestimmen ist, da die gefundenen Textilien meist nur kleine Fragmente sind, leider oft nicht möglich. In Grönland ist das breiteste gefundene Stück 95 cm breit und hat noch eine Schnittkante. Im frühen 16. Jhd., also deutlich nach der eigentlich behandelten Zeit, gibt eine Zunftrolle über Breiten von Stoffen Auskunft. In ihr sind die Anzahl von Kettfäden und die Dichte angegeben, so lassen sich Webbreiten von 144 cm bis 158 cm feststellen. Ob dies ohne weiteres auf das Hochmittelalter zu übertragen ist, ist nicht abschließend klärbar, die Technik der Webstühle hat aber in diesem Zeitraum keine entscheidende Verbesserung erfahren.

An einem Einmann-Trittwebstuhl lassen sich Stoffe bis ca. 140 cm ohne weiteres weben, auf Zweimann-Webstühlen sogar bis 245 cm. Die übliche Breite wird aber eher bei 85 – 100 cm gelegen haben, diese ist auch für den Zuschnitt der üblichen Kleidungsschnitte die günstigste.

Zu unterscheiden sind hierbei wohl die privat hergestellten Tuch und solche professioneller Machart, welcher vermutlich eher breitere Webbreiten aufwiesen.

 

 

Tuchbindung

2/1-Köper

2/2-Köper

Fundort

Z-S

Z-Z

S-S

Zw

?

Z-S

Z-Z

S-S

Zw

?

Z-S

Z-Z

S-S

Zw

?

Göttingen

18

-

-

-

-

5

-

-

-

-

3

2

-

-

-

Lübeck

31

17

3

-

1

4

1

-

-

-

2

1

1

-

-

Müsen

-

-

-

-

-

20

1

-

-

-

2

7

1

-

-

London

-

1

-

-

-

-

-

-

-

-

-

1

-

-

-

Nieuwendijk

5

-

-

1

-

3

-

-

2

-

-

1

-

-

-

Spijenisse

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

3

-

-

-

-

Dordrecht

3

-

-

3

-

-

-

-

2

-

-

-

-

-

-

Lund

-

-

-

-

14

-

-

-

-

49

-

-

-

-

2

Oslo

-

-

-

-

21

-

-

-

-

108

-

-

-

-

52

Gesamt:

57

18

3

4

36

32

2

-

4

157

10

12

2

-

54

 

118

195

78

Tab. 1: Textilienfunde aus dem 13. Jhd.

 

Quellen

 

CROWFORD, Elisabeth, PRITCHARD, Francis und STANILAND, Kay; „Textiles and Clothing – 1050 -1450“, 1992, London

 

JØRGENSEN, Lise Bender und TIDOW, Klaus; „Textilsymposium Neumünster – Archäologische Textilfunde“, 1982, Neumünster

 

JØRGENSEN, Lise Bender, MAGNUS, Bente und MUNKSGAARD, Elisabeth; „Archaeological Textiles – Report from the 2nd NESAT Symposium“, 1988, Kopenhagen

 

ØSTERGÅRD, Else; „Woven into the Earth“, 2004, Aarhus

 

 

 

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