Die Balley Brandenburg

Die Balley Brandenburg

 

 

Viel ist uns vom Wirken der Johanniter im Heiligen Land, auf Rhodos und Malta bekannt. Doch von ihrer Geschichte hier in Deutschland weiß man oft nur wenig zu berichten, obwohl man die Spuren quasi direkt vor der eigenen Haustür besichtigen kann. Um die Balley Brandenburg, aus der später der evangelische Ordenszweig hervorging, soll es in dieser Abhandlung gehen. Neben einem in diesem Rahmen doch recht kurz zu haltenden geschichtlichen Abriß, der auch die Neuzeit nicht außer Acht lassen will, wird bei einigen Personen und Komtureien etwas länger verweilt werden, um die Geschichte der Balley etwas anschaulicher mit Leben zu erfüllen. Dem Autor möge man verzeihen, daß er die Gewichtung etwas zugunsten seiner eigenen Berliner und Brandenburgischen Heimatforschung verschoben hat.

Die europäischen Provinzen bildeten das Rückgrat der Johanniter. Der Orden verwendete für sie die Bezeichnung Priorate, die von Provinzmeistern oder Prioren geleitet wurden. Die Priorate waren verpflichtet, Ordensbrüder und jährlich ein Drittel ihrer Einkünfte an den Ordenssitz zu senden.

In jedem Priorat existierte eine beträchtliche Anzahl von Konventen bzw. Kommenden oder religiösen Häusern, die die Basis bildeten. Sie waren vorrangig Verwaltungszentren, in denen meist einige wenige Ritter, Priesterbrüder und dienende Brüder, hin und wieder auch Schwestern lebten. Den Obersten eines Konvents nannte man Komtur oder Kommendator. Ihm zur Seite stand ein Kämmerer, der für die lokalen Besitztümer verantwortlich war und einen festen Teil des Einkommens an das Priorat zu zahlen hatte. In der Praxis kam den einzelnen Amtsträgern eine oft beachtliche Freiheit zu. Ohne die europäischen Priorate hätte der Orden seine Arbeit im Heiligen Land nicht finanzieren können!

Um eine bessere Organisation zu gewährleisten, gliederte sich der Orden in Ordenszungen, die sich ihrerseits in Großpriorate/Priorate unterteilten. Die Deutsche Zunge war eine von acht Zungen. Zu ihr gehörten die Großpriorate Deutschland und Böhmen/Österreich sowie die Priorate Polen, Dacien und Ungarn, wobei die letzteren nicht bis zur napoleonischen Zeit zu ihr gehörten. Kaiser Barbarossa bestätigte 1156 dem Orden alle Besitzungen in Österreich und dem Deutschen Reich.

Ritterstraße im ehemaligen Ordenssitz Rhodos - hier hatten die Zungen ihre Herbergen


Ritterstraße Rhodos - Blick vom Hospital auf eine der Herbergen 

Um 1180 bildete sich das Großpriorat Deutschland heraus. Hier hatte der Orden erst ab der Mitte des 12. Jahrhunderts durch Schenkungen zahlreichen Besitz durch Übertragung erhalten. Geleitet wurde das Priorat vom deutschen Großprior, bezeichnet als Meister des Johanniterordens in Deutschland. Er unterstand dem Großbailli der deutschen Zunge im Ordenssitz. Zeitweilig umfaßte das deutsche Großpriorat 127 Kommenden und Filialhäuser, einige waren da schon nach der Auflösung des Templerordens von diesem übernommen worden. Besonders dicht waren die Ordensniederlassungen im Südwesten des Reiches vertreten. Ursprünglich war das Großpriorat Deutschland in die Verwaltungseinheiten Ober- und Niederdeutschland geteilt.

Wir wollen uns nun aber der Balley Brandenburg zuwenden. Unter einer Balley (Schreibweise vor 1810/11: Ballei) versteht man die Ordensgliederung eines größeren Gebietes oder einer größeren Anzahl von Kommenden. Diese regionale Überordnung wurde auch für die Balley Brandenburg notwendig; allerdings erst nach dem Vertrag von Cremmen 1318 bzw. der Übernahme eines Drittels des früheren Templerbesitzes. Hierauf wird an späterer Stelle noch näher eingegangen.

Auf einer Pilgerfahrt ins Heilige Land hatte auch Markgraf Albrecht (der Bär) das Wirken der Johanniter kennen und schätzen gelernt. Deshalb stiftete er in der Nordmark 1160 eine Ordensniederlassung in Werben an der Mündung der Havel in die Elbe, die den Grundstein für die spätere Balley Brandenburg bildete. Die Stiftung umfaßte die romanische Kirche mit allem Zubehör und Nutzen (ausgenommen den Zehnten) sowie sechs Hufen Land. Die Kirche befand sich auf dem Gelände der ehemaligen, inzwischen strategisch unbedeutenden Grenzburg. Diese Burg aber war im Prinzip noch altes Reichsgut, der Anspruch Albrechts an ihr eher unsicher. Durch die Schenkung an eine geistliche Institution, wie in diesem Fall die Johanniter, konnte so gleichzeitig ein potentieller Konfliktherd elegant beseitigt werden. Eine Praxis, die im Mittelalter gerne angewendet wurde. Als Komtur wurde Albrechts Sohn Dietrich eingesetzt. Von der Komturei hat sich bis heute nur eine kleine Backsteinkapelle (um 1200) erhalten, deren Giebelwände mit je einem Johanniterkreuz geschmückt sind. Da Werben auch für den Handel günstig lag, entwickelte sich eine gleichnamige Stadt, die Kirche wurde erweitert und ausgebaut und birgt noch heute viele Kunstschätze. Weitere Kommenden der Johanniter in Nordostdeutschland folgten - mit seiner Stiftung hatte Albrecht die Keimzelle für die spätere Balley Brandenburg gelegt.

Blick vom Elbtor über Werben. Im Hintergrund die St. Johannis Kirche

Mehr Informationen zu Werben


Albrechts Nachfolger festigten und vergrößerten sein Erbe. Ein wichtiges Werkzeug zur Sicherung des eroberten Landes war die Kirche. Zahlreiche Klöster wurden gestiftet, besonders der Orden der Zisterzienser trug durch harte Arbeit viel dazu bei, das Land urbar zu machen. Auch die Ritterorden wurden als ein solches Werkzeug eingesetzt, nicht nur von den Askaniern. Um 1200 siedelte Herzog Grummislaw von Ostpommern die Johanniter im Gebiet von Stargard an. In Pommern entstanden Komtureien zu Zachau, Copau, Schlawe und Schöneck, in Mecklenburg zu Nemerow und Mirow. So schenkte Heinrich Borwin, Herr zu Rostock, 1226 dem Johanniterorden 60 Hufen Land um den Mirower See gegen Bezahlung von 100 Mark in Silber. Dort errichteten die Johanniter auf einer Halbinsel ihre Komturei und bereits zum Ende des 15. Jahrhunderts gehörte durch Schenkungen oder käufliche Erwerbungen fast das ganze Amt Mirow dem Orden. Im Vergleich gelangten die Templer bis zu ihrer Auflösung in diesen nordöstlichen Provinzen jedoch zu deutlich mehr Einfluß und Reichtum.

Ausgangspunkt für die stetige Ausweitung der Askanier gen Osten blieb lange Spandau (heute Bezirk von Berlin). Befestigte, vorgelagerte Stützpunkte nördlich von Spandau lassen sich in den heutigen Berlinern Bezirken Wedding, Reinickendorf und als Siedlungen der Templer in Rixdorf und Tempelhof nachweisen. Unter den gemeinsam regierenden Markgrafen Johann I und Otto III wurden im 13. Jahrhundert viele Städte in Brandenburg gegründet. Währenddessen wurde durch Eroberung oder Erwerb auch der Landbesitz ständig ausgedehnt.

Stand in den Stützpunkten im Heiligen Land der Kampf gegen die Ungläubigen und die Betreuung der Pilger im Vordergrund, so hatten die Kommenden hier andere Aufgaben. Sie glichen eher Verwaltungszentren, landwirtschaftlichen Betrieben oder Klöstern. Dies hatte auch mit den Hintergründen der Schenkungen zu tun: Sicher wollte der Landesherr damit etwas für sein Seelenheil tun. Daneben spielten aber auch recht weltliche Hintergedanken eine Rolle. Die Orden besaßen die Erfahrung, Land urbar zu machen. Mit der Kolonisation von Niemandsland dehnte sich das Herrschaftsgebiet aus, die Einnahmen stiegen. Klöster und Kirchen waren gleichzeitig für die Verwaltung des Landes unerläßlich. Und schließlich wurden Konkurrenten vor Übergriffen auch kirchlichen Besitz eher abgeschreckt. Auf einige der Aufgaben der Johanniterkommenden soll hier näher eingegangen werden:

In den Augen der Brandenburger war der Orden vielmehr durch seine Seelsorge und Lehrtätigkeiten bekannt, als durch seine kriegerischen Unternehmungen. Bei den meisten Kommenden handelte es sich somit um Priesterkommenden. Wie wir später an einigen Beispielen aufzeigen werden, betreuten diese Geistlichen neben der Kommende oft auch noch Kirchen und Kapellen in der Nachbarschaft. Die Ordensgeistlichen erfreuten sich bei der Bevölkerung allgemein einer großen Beliebtheit.

Alle Niederlassungen des Ordens nahmen aber auch Gäste bzw. Durchreisende auf. Das Gastrecht war im Mittelalter eine heilige Pflicht. Es gab sogar spezielle Herbergen. Auf die Krankenpflege hingegen hatten sich nur wenige Kommenden spezialisiert, der Begriff "hospitalitas" wird eher im weitesten Sinne bzw. der damaligen Verwendung zu verstehen sein. Ein Beispiel jedoch ist das 1424 gründete St.-Gertruden-Hospital der Kommende Werben vor der Stadt.

Zur Kolonisation und Urbarmachung setzten die Landesherren auch die Johanniter ein. Bei den Johannitern übernahmen die damit anfallenden Aufgaben vor allem die dienenden Brüder. Sie wurden ab dem 16. Jahrhundert aber immer mehr durch Knechte ersetzt, wie auch die Priesterkommenden dann allmählich in Ritterkommenden umgewandelt zten wurden.

Gerne wurden die Orden auch für den Grenzschutz eingesetzt. Denn Einfälle in ihr Land kamen einer Verletzung kirchlichen Besitzes gleich. Als Bestrafung drohte neben anderen kirchlichen Sanktionen vor allem auch der gefürchtete Kirchenbann. Auf diese Weise konnten die Landesherren ihre Grenzen durch die Orden gut gegen andere christliche Herren schützen oder umstrittenen Besitz neutralisieren (wie vermutlich auch in Werben geschehen). So erfolgte um 1200 die Ansiedlung von Templern in den heutigen Berliner Stadtteilen Tempelhof, Mariendorf und Marienfelde wahrscheinlich, um diesen zwischen Pommern, Meißen und Brandenburg strittigen Bereich zu neutralisieren. Trotzdem, die ursprüngliche Kirche im befestigten Tempelhof wird Mitte des 13. Jahrhunderts zerstört. Möglicherweise im Zusammenhang mit der Meißener Fehde (1240 bis 1245). Im Märkischen Museum Berlin ist ein Grenzpfahl der Templerkomturei bei Templin ausgestellt, datiert auf 1251. Der gußeiserne, nach unten konisch zulaufende Pfahl ist etwa 100 cm hoch und besitzt auf seiner quadratischen Oberseite ein eingeprägtes Templerkreuz. Mit solchen Pfählen sicherten die Templer ihren Besitz. Es ist zu vermuten, daß die Johanniter ähnliche Mittel einsetzten.

Grenzpfahl der Templerkomturei bei Templin, heute im Märkischen Museum Berlin zu besichtigen

Ein interessantes Detail am Rande: Da die Johanniter im Gegensatz zu den Templern auch Lehnsbesitz erwerben durften, konnte der Landesherr sie gegebenenfalls auch wie seine übrigen Vasallen in die Heerfolge einbinden. Es existiert für die märkischen Johanniter eine entsprechende Urkunde von 1360. Und noch 1565 musste der Komtur von Werben dem Markgrafen zwei Lehnspferde stellen. Der Lietzener Komtur hatte gar vier Lehnspferde zu stellen.

Um 1285 erhielten die Johanniter vier Dörfer bei Lychen. Ulrich Swabe war der erste Komtur der dort gegründeten Komturei Gardow. Gleichzeitig war er Sekretär des askanischen Markgrafen. Er erwarb 1298 noch die Dörfer Klein und Groß Nemerow am Tollensesee, woraus die Komturei Nemerow entstand. 1302 erhielten die Johanniter noch das Patronat über die Stadtkirche im nahen Lychen. Dieses Patronat wurde sehr ernst genommen - mehrere Ordenspriester betreuten die Pfarre, auch erhielt sie Zuschüsse aus der Komturei. Vermutlich wollte man den Sitz der Komturei Gardow nach Lychen verlegen, was sich aber nicht realisieren ließ. Stattdessen wurde die Komturei Gardow in die Nemerower eingegliedert. Die Komturei Nemerow lag am Ufer des Tollensesees auf einem natürlichen Höhenrücken mit Sicht bis Neubrandenburg. Die eigentliche Komturei mit dem Garten befand sich auf der obersten Terrasse, darunter der Wirtschaftshof und das Dorf. Neben der Komturei wurde später noch eine Priorei für die Ordensgeistlichen errichtet.

Nach der Auflösung des Templerordens 1312 wurde den Johannitern der zahlreiche Besitz der Templer in Brandenburg übertragen. Aber erst im "Vergleich zu Cremmen" 1318 gegen eine Zahlung an Markgraf Woldemar konnten sie die acht reichen Kommenden übernehmen, wodurch sich der Besitz der Johanniter in Brandenburg etwa verdoppelte. Die Region der Balley Brandenburg reichte von Wietersheim an der Weser im Westen bis nach Schöneck und Liebschau im späteren Westpreußen. Der kluge Schachzug des letzten askanischen Markgrafen, sich im Vertrag von Cremmen u. a. zum Protektor über die Johanniter zu erklären, verschaffte ihm politischen Einfluß über das Gebiet seiner Markgrafschaft hinaus. Die wichtigsten Besitzungen, die in der Mark an die Johanniter übergingen, waren westlich der Oder Lietzen und das schon erwähnte Tempelhof, östlich der Oder in der Neumark Zielenzig und Quartschen. Zur Komturei Lietzen gehörten noch die Dörfer Lietzen, Marxdorf, Heinersdorf, Tempelberg, Neuentempel und Dolgelin. Eher zu Quartschen ist Zorndorf (Tzorbensdorf) zuzuordnen, das den Johanniter bis 1540 gehörte, wonach es dann in den Besitz des Markgrafen Johann von Küstrin fiel. Viele der märkischen Templer traten zu den Johannitern über. Angeblich soll sogar der letzte Ordensmeister der Templer, Friedrich von Alvensleben, Herrenmeister der Balley. geworden sein. Diese Legende ist jedoch nicht zu belegen. Vielmehr ist in der Reihenfolge der Herrenmeister als erster Gebhard von Bortefelde (1323 - 1336) zu nennen, allerdings noch als "praeceptor generalis".

Ordenskreuz über dem Portal der Marxdorfer Kirche

1318 verpfändeten die Johanniter die Stadt Zielenzig mit den Dörfern an Markgraf Woldemar, erhielten 1322 aber Burg und Stadt mit 6 Dörfern von Herzog Heinrich von Schlesien gegen eine Geldzahlung zurück. 1326 huldigten jedoch Rat, Schöppen und Schultheiß der Stadt dem Markgrafen Ludwig. Die Johanniter erhielten Stadt samt Kirchenlehen 1350 vom Markgrafen zurück mit der Auflage, daß ihm Burg und Stadt jederzeit offen stünden. Zielenzig wurde der reichen Johanniter-Komturei Lagow zugewiesen. Um 1350 gelang es dem Orden nämlich, Lagow mit 22 Dörfern zu erwerben. Zielenzig verblieb dann bis 1810 im Besitz des Ordens.

1360 wurde ein Gutsbezirk des Ordens mit Stallungen und Nebengebäuden per Gründungsurkunde zum Dorf "Richardsdorp" ernannt, heutiges Rixdorf in Berlin-Neukölln. Auch Richardsdorf war im 13. Jahrhundert von den Templern gegründet worden, der Name dürfte sich von einem einstigen Dorfgründer, Richard, herleiten. Am heutigen Richardsplatz fand man bei Bauarbeiten Teile von Kettenhemden, die auf das 14. Jahrhundert datiert und den Rittern der Johanniter zugeschrieben werden. Aus der Gründungsurkunde kann man entnehmen, daß sich der Sitz des Ordens aber im nahen Tempelhof befand, wo sich auch die Kirche befand, deren Besuch den "Richardsdorpern" zur Pflicht gemacht wurde. Der eigentliche Tempelhof war eine befestigte Anlage, ein Hof, auf drei Seiten von einem schmalen Teich umgeben und geschützt, auf dem Gelände der heutigen Dorfkirche (Berlin - Alt-Tempelhof). Damals war es in der Mark üblich, Klöster und ähnliche Anlagen in der Nähe von oft künstlich angelegten Teichen zu errichten. Noch heute nennt man den künstlichen Ablauf dieser Teiche "Mönch". Die Teiche sicherten die Anlagen und versorgten deren Bewohner insbesondere während der langen Fastenzeit mit Fischen. Die Kirchen der ebenfalls zur Kommende gehörenden Dörfer Mariendorf und Marienfelde wurden alle noch während der Herrschaft der Templer erbaut. Die Kirche in Marienfelde, um 1220 erbaut, ist die älteste Dorfkirche Berlins. Nach ihrer Zerstörung in der Mitte des 13. Jahrhunderts wird sie neu aus behauenen Granitquadern errichtet. Kirchhof wie Komturhof werden durch Mauern und Gräben gesichert, zugänglich nur durch einen schmalen Weg auf der Südseite. Die Anlage dient in Kriegszeiten als Zuflucht für die Bevölkerung. 1344 wird Buchart von Arenholt, 1358 Ulrich von Königsmarck (aus einer bedeutenden märkischen Adelsfamilie) als Komtur genannt.

Rekonstruktion des Lageplans der Komturei Tempelhof von K. Markgraff um 1875; aus Funk, Eberhard, Seite 34. Legende: a - Ordenshaus mit Turm, b - Stall, c - Kirche, d - Pfarrhaus um 1435, e - Zaun, h, i, k - Mauer, l - Torhaus, m - Tor Kirchhof, n - äußeres Tor mit Turm, o - schmaler Eingangsweg zwischen Doppelmauer, q - Klarensee, r - Turm Vorwerk, s - Wirtschaftsgebäude Vorwerk, t - Garten Vorwerk, u - Garten Ordenshaus, v - vermuteter Geheimgang (sehr wahrscheinlich nur Legende, x - Dorfgrundstücke, y - Landstraße, z - Dorfstraße

Tempelhof - die Teiche liegen heute in einer Parkanlage; im Hintergrund der Kirchturm der Dorfkirche

Der Druck der Landesherren auf den Orden wuchs immer mehr. Gleichzeitig stellte die ferne Ordensleitung für den Kampf im Mittelmeerraum ständig neue Forderungen. Besonders der Verkauf von Ordensbesitz in Pommerellen an den Deutschen Orden führte zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen der Balley Brandenburg und dem der Ordensregierung direkt unterstehenden Großpriorat Deutschland. Seit Ausgang des 13. Jahrhunderts war den nordöstlichen Komtureien zu einheitlicher Verwaltung ein Vizepräzeptor als Vertretung des fernen Großpriors vorgesetzt worden. Jedoch wirkte dieses Kontrollorgan zunehmend eigenständiger und nahm immer mehr Amtsbefugnisse für sich in Anspruch - das Amt des Herrenmeisters der Balley entstand. Der "Heimbacher Vergleich" von 1382, geschlossen aus Furcht vor weiteren Verkäufen von Ordensbesitzungen, ließ diese Selbständigkeit im Rahmen des Ordens offiziell werden. Die Brandenburger Ordensbrüder konnten sich ihren Bailli bzw. Herrenmeister nun selber wählen. Die Balley hatte nun einen autonomen Status innerhalb des Ordens mit zahlreichen Sonderrechten, aber auch mit festgeschriebenen Zahlungsverpflichtungen.

Doch Brandenburg war seit dem Tode des letzten askanischen Markgrafen Waldemar 1319 verwaist, eine kraftvolle Lenkung durch den Staat fehlte. Bezeichnend für den Verfall der Mark war ihr nun häufig stattfindender Besitzwechsel. In der Mark herrschten unhaltbare Zustände, was natürlich auch nicht ohne Folgen für die Balley blieb. 1399 brachten Bürger der Stadt Bahn sogar den Herrenmeister Detlef von Walmede und den Kommendator von Rohr um. So begrüßten es die Johanniter auch ausdrücklich, als 1417 der inzwischen zum deutschen Kaiser gekrönte Sigismund den hohenzollernischen Burggrafen Friedrich IV von Nürnberg als erblichen Statthalter einsetzte. Friedrich ging konzentriert gegen die Mißstände im Lande vor und schaffte Ordnung. Er schränkte die Macht der Landesstämme ein und unterwarf die bis dahin autonomen Städte. Die ihn unterstützenden Johanniter schätzte er als Ordnungskraft und ermöglichte ihnen, im Jahre 1426 Schloß und Stadt Sonnenburg mit den dazugehörigen 10 Dörfern an der Oder zu erwerben.

Das Schloß Sonnenburg in der Neumark jenseits der Oder wurde Sitz des Herrenmeisters und der Ordensregierung. Im 17. Jahrhundert wurde es nach der Zerstörung durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg durch den Herrenmeister Fürst Johann Moritz von Nassau-Siegen neu erbaut. Die Urbarmachung des Warthebruches war eine bedeutende Siedlungsleistung der Johanniter und mehrte die Einkünfte. 1792 umfaßte das Ordensamt 10 Dörfer, 37 Kolonien und Etablissements, 6 Vorwerke, 6 Wasser- und 2 Windmühlen. 1810 wurde Sonnenburg enteignet. Der Orden konnte das Schloß erst 1855 zurückkaufen.

1433 fiel das am Zusammenfluß von Netze und Warthe liegende, sich im Besitz der Johanniter befindliche Schloß Zantoch durch Verrat in die Hände der Hussiten und Polen. 1455 kam die Grenzfeste dann wieder unter brandenburgische Hoheit.

Im Jahre 1435 soll es angeblich nach einer Grenzsteinverschiebung zur sogenannten Tempelhofer Fehde zwischen Berlin-Cölln und den Johanniter gekommen sein. In der Nacht zum 24. August soll eine Streitmacht der Johanniter sogar versucht haben, die Doppelstadt zu überfallen, worauf ein kräftiger Kampf entbrannt sein soll. Als einzige Unterlage für die Auseinandersetzung dient nur eine zweifelhafte Zeugenaussage in einem Prozeß von 1513, in dem es um strittige Hütungsgrenzen zwischen Berlin-Cölln und Tempelhof ging. An Reibungen zwischen den Johannitern und der Doppelstadt scheint es aber trotzdem nicht gefehlt zu haben. Da die Balley eh unter ständigem Geldmangel litt, verkaufte der Orden im September 1435 seinen gesamten Besitz im Teltow an die Schwesterstadt für die beachtliche Summe von 2439 böhmischen Groschen - nämlich die Johanniterdörfer Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde (heute alle Berlin-Tempelhof) und Richardsdorf (Berlin-Neukölln). Der Johanniterorden blieb aber bis 1546 der Patron der inzwischen in Richardsdorf erbauten Kirche. In dem im frühen 20. Jahrhundert verliehenen Wappen von Neukölln findet man auch bis auf den heutigen Tag das achtspitzige Ordenskreuz. Kaiser Wilhelm II. hatte in seiner Eigenschaft als Protektor des Johanniterordens unmittelbar Einfluß auf die Wappengestaltung genommen.


Bis 1546 war der Johanniterorden Patron der Kirche in Richardsdorf bzw. Rixdorf (Berlin-Neukölln).

Wappen von Berlin-Neukölln

1512 gelangte die Herrschaft Schenkendorf (heute Sekowice) mit zehn Dörfern in den Besitz der Johanniter. Die Herrschaft Friedland (8 km südlich von Beeskow) samt Stadt und Schloss sowie den Flecken Leißnitz mit Kuhnshof, Leißnitzer See, Dammendorf einschließlich des Forstreviers Heidereiterei, Klein Briesen, Chossewitz, Janckemühle, Grunow, Günthersdorf, Karras, Lindow, Mixdorf, Groß Muckrow, Klein Muckrow, Klingemühle, Zeust, Oelsen, Reudnitz, den Vorwerken Friedland, Reudnitz, Weichensdorf, Mixdorf und der Hackschäferei bei Friedland wurde ihnen 1518 verpfändet, ging aber erst 1533 (andere Quellen benennen 1523), nachdem sie den sehr hohen Kaufpreis von 21500 Gulden erbringen konnten, endgültig in ihren Besitz über. Damit hatte die Balley ihren Besitz auch auf das Herrschaftgebiet des Königs von Böhmen ausgedehnt. Sowohl Friedland wie auch Schenkendorf wurden als "feste Häuser" geführt. Das war wohl auch notwendig, da das Gebiet in einem Spannungsfeld zwischen habsburgerischen und hohenzollernschen Interessen lag. Die befestigte Anlage in Friedland geht auf eine ursprüngliche Wasserburg aus dem 13. Jahrhundert zurück. Nach 1630 wurde die Burg mit einer zusätzlichen Mauer mit sechs Bollwerken, einem Graben samt Zugbrücke und einem Erdwall zusätzlich gesichert. Heute sind nur noch Reste der Burg erhalten: die mittelalterliche Umfassungsmauer aus Backstein, ein dreigeschossiger, quadratischer Turm, daran angrenzend ein Mittelbau und ein rechtwinklig anschließender kurzer Flügel. Der Ordenshauptmann auf Friedland erhielt 200 Taler Jahresgehalt. Er war gleichzeitig Gerichtsherr, Kirchenpatron, Wirtschaftverwalter und Anführer der kleinen Militäraufgebote. Und vor allem hatte er gleichsam dem Herrenmeister wie auch dem Landvogt Treue zu schwören, so wie der Herrenmeister der Balley zusehends nicht nur die Interessen der fernen Ordensregierung zu beachten hatte, sondern sich immer mehr auch mit den Landesfürsten arrangieren mußte.

Während der Reformation blieb das Großpriorat Deutschland mit Sitz in Heitersheim am Rhein katholisch. Die Balley Brandenburg trat jedoch 1538 wie ihr Territorialherr Markgraf Johann (Hans) von Küstrin zur lutherischen Lehre über. Bereits zum Zeitpunkt der Reformation im Kurfürstentum Brandenburg gab es in den dortigen Kommenden nur noch wenige Priester und überhaupt keine diakonischen Aktivitäten mehr. Es ging weitgehend nur noch um Besitzverwaltung, aus dem die nach dem Heimbacher Vertrag festgelegten Responsien an den Orden auf Malta abzuliefern waren. Trotz des Übertritts der Balley Brandenburg zum protestantischen Glauben wurde die Einheit des Ordens nicht in Frage gestellt, zumal die Balley weiterhin Zahlungen nach Malta ablieferte und die Beziehung zur dortigen Ordensregierung pflegte. Als typisch für diesen diplomatischen Spagat der Balley kann das Verhalten ihres Herrenmeisters Thomas Runge (seit 1545) angesehen werden, der in der Mark durch seine angepaßte Art als lutherisch galt, von dem aber kämpferisch katholische Schreiben an seine Ordensleitung auf Malta bekannt sind.

1556 nötigte der Markgraf die Balley, ihm die Kommende Lietzen zu verkaufen. Doch Adam von Schlieben, dessen Vorfahren seit 1419 Komture in Lietzen waren, konnte den Besitz dann zwischen 1594 und 1597 zurückkaufen. Die Kommende wurde dann bis 1811 gehalten, als sie wie alle Besitzungen des Ordens von der Krone eingezogen wurde. Der befestigte Hof ist typisch für die Ordensanlagen in der Mark. Er befindet sich zusammen mit der Komtureikirche strategisch günstig auf einer erhöhten und zusätzlich mit einem Teich gesicherten Stelle, abseits des gleichnamigen Dorfes. Die Kirche stammt noch aus der Templerzeit (ca. 1240) und wurde dann von den Johannitern mehrfach umgebaut und erweitert. Das zweigeschossige Herrenhaus direkt neben der Kirche stammt aus dem 16. Jahrhundert. Im Obergeschoß wurde auf Deckenbildern die Geschichte der Johanniter dargestellt. Zum Hof gehörte ferner ein Feldsteinspeicher aus dem 14. Jahrhundert. Auch Teile der Umfassungsmauer (bereits für 1232 verbürgt) des Hofes sind noch heute erhalten. Die Anlage erfüllte die typischen Anforderungen für eine Kommende, sie konnte bedingt als Wehranlage dienen (das Lietzener Ordenskonvent hielt sich zumindest im 15. Jahrhundert eine eigene kampffähige Mannschaft), garantierte aber vor allem eine gewisse klösterliche Abgeschiedenheit und wurde gleichzeitig als landwirtschaftlicher Gutshof genutzt.

Alter Feldsteinspeicher der Kommende Lietzen

Laut dem Landbuch Karls V. befand sich in der Nähe in Gorgast ebenfalls ein Ordenshaus der Johanniter. Die Kommende Lietzen wurde erst 1768 aus Gütern der Kommende Lietzen gegründet. Das Ordenshaus ist leider nicht erhalten.

Die Investitur 1564 des dem Markgrafen Hans von Küstrin treu ergebenen Bürgerlichen Franz Neumann zum Herrenmeister erfolgte nach dem Willen des Markgrafen und zeigt, welchen Einfluss er auf den Orden ausübte. Doch Neumann verschob seine Loyalität mit der Wahl zum Herrenmeister plötzlich eindeutig in Richtung Orden und ließ sich nicht mehr als Werkzeug des Markgrafen mißbrauchen. Deswegen residierte Neumann auch außerhalb der Mark in Friedland, also unter dem Schutz des böhmischen Königs. Von dort vereitelte er den Plan des Markgrafen, seinen Großneffen als Koadjutor einzusetzen, um so den Orden unter seinen Einfluß zu bekommen. Als Neumann daraufhin auf einer Reise die Oder überquerte, wurde er auf Befehl des Markgrafen gefangen genommen und im Ordensschloß Sonnenburg inhaftiert. Doch dem fast 80-Jährigen gelang die Flucht nach Schlesien. Der Markgraf ließ daraufhin Friedland besetzen.

Aber auch die Mecklenburger setzten dem Orden zu. Die Komturei Nemerow hatte sich seit ihrer Gründung abwechselnd auf brandenburgischem oder mecklenburgischem Gebiet befunden. Schon 1552 war der Komtur Aschwin von Kramm verstorben. Er war verheiratet und soll es auch sonst mit dem Ordensleben nicht zu genau genommen haben. Er galt aber auch als fehdelustig und hatte die Interessen der Balley gegenüber der weltlichen Macht stets duchzusetzen verstanden. Nach seinem Tod aber zog die Mecklenburger Landesherrschaft die Komturei ein und verlieh sie an den Hof- und Kriegsrat Joachim von Holstein. Dieser aber trat vorsichtshalber – der Herrenmeister hatte natürlich gegen die Enteignung vor dem Reichskammergesetz geklagt - hinter dem Rücken des Mecklenburger Herzogs selber in den Orden ein. Auf Nemerow gab es für die Balley fortan so zwar keine geistliche, wohl aber noch eine wirtschaftliche Komturei. Nach dem Tode Joachims wollte der Mecklenburger Herzog Ulrich Nemerow wieder als erledigtes Lehen einziehen, doch auch die Johanniter meldeten nun ihre durch den Beitritt Joachims erneuerten Rechte an. Doch die Stargarder Amtsmänner besetzten kurzerhand im Auftrage Ulrichs die Komturei und verwehrten den Gesandten der Johanniter nicht nur den Zutritt, sondern auch Kost und Quartier im Dorf. Aber der Orden ließ sich nicht 'fortekeln' und drohte dem Herzog sogar, mit 300 Rittern gegen ihn zu ziehen. Als auch noch der Brandenburgische Kurfürst dem Orden zur Hilfe kam, gab Herzog Ulrich nach, man einigte sich, und die Mecklenburger und die Balley durften abwechselnd den Komtur einsetzen. Das geistliche Ziel der Komturei ging damit aber endgültig unter und im Westfälischen Frieden sollte die Komturei dann auch formal aufgehoben werden. Viel erinnert heute nicht mehr an den Orden. Doch auf dem Friedhof findet man die Grabstätte des Komturs Ludwigs von der Gröben, gestorben 1620. Er ist im vollen Harnisch zwischen den Wappen seiner Ahnen dargestellt. Das Johanniterkreuz trägt er an einer Kette um den Hals. Auch sein Wappen trägt das Kreuz, dazu u.a. die Inschrift "des Maltheser Ordens S. Johannis und Hospitals zu Hierusalem Ritter".

Der dreißigjährige Krieg (1618-48) wirkte sich auch für die Balley verheerend aus, zahlreiche Ordenshäuser und Ländereien wurden verwüstet, der Personalbestand schrumpfte drastisch. 1627 fiel Wallenstein mit kaiserlich-katholischen Truppen in die Mark ein. Da die Balley zu dieser Zeit kurioser Weise wieder einen katholischen Herrenmeister besaß (Adam von Schwarzenberg, der sich aber verpflichtet hatte, keine katholischen Gottesdienste abzuhalten), konnte dieser erfolgreich einen Schutzbrief erbitten. Bis dahin war es aber schon zu etlichen Plünderungen gekommen. Und Kontributionen musste der Orden weiterhin leisten. Als dann 1631 die evangelischen Schweden in Brandenburg einzogen, rächten sich diese am unbeliebten Schwarzenburg und damit auch an den Ordensbesitzungen. 1642 lagen in den zu Friedland gehörenden Dörfern 70% der Häuser wüst, vier der sechs Amtsmühlen waren zerstört. Von 1643 bis 1650 quartierten sich die Schweden ein. Schloß Friedland war bereits 1623 bei einem Brand vernichtet worden. Auch die Komturei Nemerow wurde von Wallenstein wie von den Schweden als persönliche Beute betrachtet. Das Sonnenburger Residenzschloß brannten die Schweden bei ihrem Rückzug nieder. Der hochgebildete, organisatorisch versierte und nicht zuletzt geldkräftige Investor Fürst Johannes Moritz zu Nassau-Siegen, Schwager des Kurfürsten, brachte die Balley nach dem Westfälischen Frieden von 1648 und seiner Wahl zum Herrenmeister (1652) dann aber wieder in vorbildlichen Zustand.

Burg Friedland

Toranlage der Burg Friedland

An diesem Deckenbalken im Wohngebäude ließ sich der Herrenmeister Schwarzenberg im 17. Jh. verewigen.

Schloß Friedland wurde nach und nach wieder aufgebaut (Wohnturm mit Rittersaal in zwei Etagen, neuer Wohnturm des Ordens mit drei Etagen, Empfangssaal mit Wohnetagen für den Ordensmeister und Gäste sowie der Verwaltungsbau (Mittelbau) mit vier großen Schreibstuben und Archiven). Ebenso erfolgte ein Rückbau der Zugbrücke und des Erdwalles noch zu Ordenszeiten. Seit Hauptmann Normanns Zeiten betrieb die Balley in Friedland äußerst einträglich auch eine Schneidemühle. Die Bretter, auf der Spree verschifft, waren in Berlin als Dielen begehrt. Seit 1673 siedelten auch jüdische Familien in der Komturei. Neben Dresden und Leipzig war Friedland lange der einzige Ort in Sachsen, wo Juden leben durften. Die Johanniter ermöglichten ihnen gegen Widerstand von außen eigene Gottesdienste und den Bau einer jüdischen Schule. Sicher war in der entvölkerten Komturei ihr zu zahlendes "Beiwohnergeld" in Form eines Passes zu 8 Talern pro Jahr gern gesehen, trotzdem kann man hier wieder einmal die christliche Toleranz des Ordens erkennen, die sich seit den Kreuzzügen herausgebildet hatte. Heute sind in Friedland nicht nur weite Teile der Burg erhalten, sondern die gesamte Wohn- und Verwaltungsanlage aus der Ordenszeit.

Im Friedensschluß von 1648 wurde die Entwicklung der Balley Brandenburg zu einem autonomen Bestandteil des Johanniter-Malteserordens völker- und glaubensrechtlich bestätigt. Das Protektorat der Kurfürsten von Brandenburg über den Orden wurde fortgeführt und damit auch die feste Verbindung zwischen Brandenburg und der Balley. 1693 wurde mit Karl von Brandenburg dann auch die Tradition begründet, in der bis zum heutigen Tage jeweils ein Prinz des Hauses Hohenzollern zum Herrenmeister gewählt wurde.

In der Neumark galt der Orden als größter Grundbesitzer und vornehmstes Glied der Landstände. Auch an der Trockenlegung des Oderbruchs zur Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Johanniter beteiligt. 1738 wurde auf Wunsch des Königs Friedrich Wilhelm I mit dem Bau eines Ordenspalais in Berlin, am späteren Wilhelmplatz begonnen. Damit wurde die Ordenszentrale aus Sonnenburg in der Neumark in unmittelbare Nähe zu den Machtstrukturen des preußischen Königreiches verlagert.

Als einer der vorerst letzten Ritter wurde der spätere König Belgiens Leopold I 1810 in die Gemeinschaft der Balley aufgenommen. Doch noch im gleichen Jahr enteignete das durch die verlorenen napoleonischen Kriege stark verschuldete Preußen die katholischen und protestantischen Kirchen und Orden, unter ihnen auch den Johanniterorden. Durch diesen staatlichen Eingriff sank der Inmobilienmarkt stark, so daß Preußen nicht den erhofften Gewinn machte. Von den eingezogenen Häusern wurden penibel alle Ordenszeichen entfernt. Der preußische König stiftete 1812 den "Königlich-preußischen Johanniterorden", eine Art Verdienstorden, der aber keine Erneuerung der aufgelösten Balley darstellte. Der Orden bestand vorerst als vermögensloser Personenverband weiter, die noch lebenden Johanniterritter wurden in die Ordensgemeinschaft des Verdienstordens überführt und durften ihre alten Insignien weiter tragen.

1852 kam es zur Wiedererrichtung der Balley durch König Friedreich Wilhelm IV. von Preußen. Der König wollte seinem Adel einen diakonischen Auftrag verleihen und nahm damit Bezug auf die Ursprünge des Ordens. 1853 konnte so offiziell ein neuer Herrenmeister, Prinz Carl, der Bruder des Königs, gewählt werden. Die Wiedererrichtung stellte eine gelungene Symbiose aus Kontinuität und Tradition bei gleichzeitiger Ausrichtung und Strukturierung auf moderne Aufgaben dar. Zahlreiche Träger des Verdienstordens, wie auch Fürst Pückler, wurden als Ehrenritter in den wiederbegründeten Orden aufgenommen.

Schloß Sonnenburg wurde zurückgekauft. Das Ordenspalais, inzwischen von Karl Friedrich Schinkel umgebaut, blieb bis 1918 Eigentum Preußens, war aber ab 1853 wieder Sitz der Herrenmeister. Noch 1945 diente es Goebbels als Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, bis es durch Bombentreffer zerstört wurde.

Die Balley Brandenburg konnte sich endlich wieder ihrer ursprünglichen Aufgaben annehmen. 1855 wurde mit Jüterbog das erste Johanniterkrankenhaus eingeweiht, 1861 werden 11 Häuser genannt. In Berlin-Lichterfelde besaß der Orden z.B. ab 1885 ein Siechenhaus. Auch in den nun folgenden Kriegen Preußens mit Dänemark, Österreich und Frankreich stellten sie eigene Verwundetentransporte und Feldlazarette. Die daraus gewonnenen Erfahrungen kaenm auch der Gründung des Roten Kreuzes zugute, die vom Orden unterstützt wurde. Noch im ersten Weltkrieg beförderten allein die Johanniter 57.000 Verwundete und unterhielten 64 Häuser mit 4000 Betten.

Durch die Abschaffung der Monarchie 1918 verlor die königstreue Balley ihre enge Verbindung zu den führenden politischen Kräften. Der Orden galt als exklusive Vereinigung protestantischen Adels und wurde in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, zu den führenden politischen Kräften der Weimarer Republik bestanden nur geringe Verbindungen. Auch die katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem ersten Weltkrieg machten dem Orden zu schaffen.

Schon seit langem war es üblich, daß der Orden einen überaus hohen Anteil an Offizieren besaß. So wurde z. B. auch Feldmarschall Paul von Hindenburg, allerdings erst in relativ hohem Alter, 1917 als Ehrenritter in den Orden aufgenommen.

Nach der letzten statistischen Erhebung von 1931 gab es im In- und Ausland 4700 Johanniterritter. Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, besaß die Balley 56 Ordenshäuser, Krankenanstalten, Siechenhäuser, Lungenheilstätten und Altenheime. Die christliche Ausrichtung und mehr noch die Beschränkung auf Angehörige des protestantischen Adels war den neuen Herrschern bald ein Dorn im Auge. Bis 1934 hielt jedoch der Reichspräsident seine Hand über den Orden. Schon 1934 sollten Johanniter- und Malteserorden verboten werden. 1938 wurde NSDAP-Mitgliedern im sogenannten Heß-Erlaß untersagt, gleichzeitig dem Johanniterorden anzugehören, worauf 412 Johanniter aus dem Orden ausschieden. Wilhelm-Karl Prinz von Preußen, Enkel des letzten Deutschen Kaisers und ab 1958 Herrenmeister, wurde wegen "politischer Unzuverlässigkeit" bzw. dem so genannten Prinzenerlaß, wie viele andere Mitglieder ehemals regierender Häuser, 1943 aus der Wehrmacht entlassen und danach mit einem Studienverbot belegt. Die Krankenhäuser blieben aber weiterhin tätig, ab dem Beginn des zweiten Weltkrieges zum Teil als Reserve-Lazarette. Der Johanniterorden war keine Widerstandsorganisation, doch viele Ritter konnten das faschistische Gedankengut nicht mit den Grundsätzen ihrer Ordensmitgliedschaft vereinbaren. So kamen aus seinen Reihen ein im Verhältnis hoher Anteil an Widerstandskämpfern. Nach dem mißlungenen Attentat auf Hitler 1944 wurden auch elf an dem Attentat beteiligte Ordensritter hingerichtet, Generalfeldmarschall von Witzleben ist nur der bekannteste Name.


Nach dem 2. Weltkrieg stand der Orden wieder mal vor dem Nichts. Die Hälfte seiner Mitglieder lebte nicht mehr, die Lebenden waren meist heimatvertrieben und mittellos und die Alliierten verboten bis 1948 sogar jede Tätigkeit des Ordens. Durch die Neufestsetzung der Oder-Neiße-Grenze verlor der Orden bereits 1945 den überwiegenden Teil seiner Besitzungen. Die in der Sowjetischen Besatzungszone liegenden Einrichtungen übereignete der Orden 1946 an die evangelische Kirche, um sie so der Konfiskation durch die neuen Machthaber zu entziehen. Doch der Orden hielt an seiner christlichen Tradition und Zielsetzung fest, paßte sich geschickt der neuen Zeit an und überlebte. Da die DDR als Betätigungsfeld weitestgehend verschlossen blieb, verlegte der Orden seinen Sitz von Berlin über Bad Pyrmont und Rolandseck 1962 nach Bonn. Seit 1948 entfiel die Voraussetzung der adeligen und protestantischen Herkunft zur Aufnahme als Ehrenritter in den Orden. 1951 entstand zunächst die Johanniter-Hilfsgemeinschaft, 1952 dann die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. (JUH) als ein weiteres Ordenswerk, das bis heute bekannt und anerkannt ist. Da der Ordenssitz Sonnenburg verloren war, wurde seit 1963 der Ritterschlag wieder nach altem Zeremoniell durch den Herrenmeister in der Komturkirche Nieder-Weisel in Hessen durchgeführt. Leider wurden die meisten Einrichtungsgegenstände in Sonnenburg durch Russen und Polen verschleppt.

1961 wurde die Allianz von Nieder-Weisel geschlossen. In der Allianz sind die Balley Brandenburg mit ihren nichtdeutschen Genossenschaften und Kommenden (Finnland, Frankreich, Österreich, Schweiz und Ungarn) und den protestantischen Johanniterorden in Großbritannien, Niederlanden und Schweden als lose Vereinigung verbunden. Die niederländischen und schwedischen Johanniter hatten bis 1945/1946 als Genossenschaften zur Balley Brandenburg gehört, lösten sich dann aber von ihr und bildeten eigenständige Johanniterorden unter dem Protektorat ihrer jeweiligen Kronen. Durch die Allianz konnte die internationale Zusammenarbeit wieder ausgebaut werden, was sich gerade in Katastrophenfällen bewährte. Zum katholischen Souveränen Malteserorden entwickelten sich brüderliche Beziehungen trotz der nach wie vor bestehenden konfessionellen Gegensätze.

Nach der Wende erhielt der Orden 1990 dann auch seine Ordenshäuser auf Gebiet der ehemaligen DDR zurück und nahm sich mit großem Einsatz der heruntergewirtschafteten Einrichtungen an. Schloss Sonnenburg wurde leider 1976 Opfer eines Brandes. Aber die alte Johanniterordenskirche (1508 geweiht) direkt gegenüber steht noch. Sie wurde nach einem Brand um 1814 nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel neu aufgebaut und 1925 umfangreich renoviert, wobei auch das alte Deckengewölbe entdeckt und renoviert wurde. Die alte Bemalung der Deckengewölbe zeigt die Wappen der Herrenmeister. Ein weiteres Schmuckstück sind acht farbige Glasfenster von 1930, auf denen 90 Familienwappen der Johanniter dargestellt sind. 1999 übernahm Oskar Prinz von Preußen das Amt des Herrenmeisters von seinem Vater Wilhelm-Karl Prinz von Preußen (1921 - 2007), der dieses Amt seit 1958 inne hatte.

Am 15. Mai 1999 feierte der Johanniterorden in Berlin sein 900-jähriges Jubiläum unter dem Motto: "900 Jahre Dienst am Nächsten", eingeleitet durch Festgottesdienste in der Marienkirche und dem Berliner Dom. Neben dem Bundespräsidenten nahm auch viel andere Politprominenz teil. Der Herrenmeister verwies in seiner Rede klar auf die christliche Ausrichtung: Der Orden habe seine Kontinuität über 900 Jahre nur deshalb gewahrt, weil er sich immer seines geistlichen Grundauftrages bewußt war - Dienst an den Schwachen und Kampf gegen den Unglauben.

Wie formulierte es der Gründer Meister Gerhard schon um 1095: "Unsere Bruderschaft wird unvergänglich sein, weil der Boden, auf dem diese Pflanze wurzelt, das Elend der Welt ist und weil – so Gott will – es immer Menschen geben wird, die daran arbeiten wollen, dieses Leid geringer, dieses Elend erträglicher zu machen."

 

Joachim Meinicke

 

Anmerkung

Im Dezember 2006 nahm Friedrich Adolph Frhr. v. Dellingshausen der Balley Brandenburg des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem Kontakt mit mir auf. Als Resultat unseres Gespräches sandte er mir freundlicherweise recht detaillierte Anmerkungen zu dem hier vorliegenden Text. Ich habe diese inzwischen einfließen lassen und möchte mich auf diesem Wege recht herzlich für die liebenswürdige und gute Zusammenarbeit sowie die mitgesandte Literatur bedanken.

 

Literaturangaben (Auszug):

  • Johanniter und Templer; E. Staehle;Weishaupt-Verlag, Gnas i. Österreich, 1998
  • Ribbe, Wolfgang & Schmädeke, Jürgen; Kleine Berlin-Geschichte; Stapp Verlag
  • Die Johanniter – Verbandzeitschrift; Beta Verlag, 1995 – 2001; div. Artikel aus der Rubrik "Aus dem Orden"
  • Großer Bildatlas der Kreuzzüge; J. Riley-Smith; Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau, Basel, Wien, 1992
  • Berlin-Neukölln – seine Geschichte und Denkmale: Rixdorf; Bezirksamt Neukölln von Berlin (Herausgeber); Oktoberdruck
  • Chronik der Dorfkirche Alt-Tempelhof; Eberhard Funk; Evangelische Kirchengemeinde Alt-Tempelhof; Berlin 1989
  • Berlin und seine Wappen; Werner Vogel; Ullstein Verlag, Berlin, 1987
  • In Rixdorf ist Musike – Heft 1: Kleiner Streifzug durch Neuköllns Geschichte; Bezirksamt Neukölln von Berlin (Herausgeber), ca. 1985
  • Die Mark Brandenburg – Heft 16: Ritterorden und Ordensritter in der Mark Brandenburg; Lucie Großer Verlag, Berlin, 1995
  • Die Ritterorden; H. Prutz; Weltbild-Verlag, Augsburg, 1998 (Reprint der Originalausgabe von 1908)
  • Handbuch der historischen Stätten Deutschland: Berlin Brandenburg; Dr. Gerd Heinrich (Hrsg.); Alfred Kröner Verlag
  • Langet Borchmann; Richardsdorf, Rixdorf, Neukölln; Pädagogische Verlagsgemeinschaft, Berlin 1954
  • Die Vasallen Christi - Kulturgeschichte des Johanniterordens im Mittelalter; Berthold Waldstein-Wartenberg; B&oumlhlau Verlag, Wien 1988
  • Jo Lüdemann, Burgenführer Brandenburg, Trescher Verlag, Berlin 2001

     

     

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